Krieg und Auswirkungen auf unser Leben und unsere Gefühle

Ganz Deutschland müsste trauern!

Fast jede Familie in Deutschland hat Vorfahren, die aktiv oder passiv am Krieg und seinen Folgen beteiligt waren. Ob Angehörige den Krieg als Opfer oder Täter erlebt haben, Vertreibung und Flucht oder der Verlust von Verwandten erlebt wurde - der Krieg zieht schwere Einschnitte des Lebens nach sich.
Ob es sich um Täter oder Opfer handelt oder um ein Opfer, das zum Täter wurde aus Angst, allen ist gemeinsam, dass Ohnmacht und Handlungsunfähigkeit aus der jeweiligen Situation heraus, resultieren.

Was passiert mit den ganzen Gefühlen, die aus dieser Zeit kommen und nicht ausgedrückt und gefühlt werden konnten?

Gefühle, wie: Trauer, Angst, Panik, ohnmächtige Wut, Aggressionen, Zerstörung, Trennung von der Heimat für viele Vertriebene, Sprachlosigkeit angesichts der brutalen Verbrechen, der Gewalt, der Willkür und des Hasses, der gegen Menschengruppen gerichtet war.

Was passiert mit diesen Gefühlen, wenn doch die meisten, die den Krieg erlebt und überlebt haben, angesichts dieser Überwältigung in eine totale Erstarrung gegangen sind oder nicht mehr fühlen konnten, weil alles viel zu schlimm war?.

Was passiert mit den vielen Kindern, deren traumatisierte Eltern gar nicht mehr in der Lage waren, emotional präsent zu sein um ihre eigenen Kinder im Kontakt zu sehen und zu fühlen?

Was passiert mit deren Nachfahren? Ist dann alles weg, wenn die Kriegsgeneration gestorben ist?

Was für Folgen hat die schwere Schuld, die noch heute über dem ganzen Kollektiv Deutschland liegt?
Was passiert angesichts der Flüchtlingswelle, die Deutschland erfasst, mit den Menschen? Bewirkt der Zustrom an traumatisierten Menschen, die dringend Hilfe benötigen, eine Retraumatisierung von Gefühlen der Menschen hier, die den Krieg erlebt haben oder ihren Nachfahren, die den Krieg unbewusst über das Resonanzfeld fühlen?

Wie kann diese Spirale aufgehalten und erlöst werden?
Heilung wird möglich durch Kontakt und Verbindung zu sich selbst und damit zu anderen und dem setzen von stimmigen Grenzen.

In meiner Arbeit als Traumatherapeutin und Familienaufstellerin, möchte ich über meine Erfahrungen berichten.

Gefühle, die von einer Person erlebt, aber nicht gefühlt werden, bleiben im System der Familie und hängen wie ein „Paket“ im Feld. Diese mit alten Gefühlen gefüllten „Pakete“ werden solange weitergereicht, bis jemand aus dem Familienfeld sie unbewusst annimmt und sich mit ihnen auseinandersetzt.

Beispiele dafür sind:

der Enkel, der für den Großvater (Kriegsgefangener) Hunger und Ohnmacht trägt, in seinem Leben lebt und eine Esssucht unbekannter Ursache entwickelt und sich ohnmächtig in seinen Beziehungen fühlt.

oder die Tochter einer Vertriebenen, die sich nirgends sicher und zu Hause fühlt und schon x mal umgezogen ist.

oder die Enkelin, die voller Angst und Panik ist, obwohl in ihrem Leben faktisch nichts Dramatisches passiert ist und die Panik der Großmutter vor Gewalt und Missbrauch trägt und deshalb sehr zurückgezogen lebt.

Es lassen sich beliebig viele Beispiele finden, wie alte Gefühle unserer Ahnen unser Leben heute beeinflussen und blockieren.

Diese Einflüsse können dazu führen, dass kriegstraumatisierte Eltern ihren Kindern emotional keinen Halt geben oder die Kinder in ihren Bedürfnissen sehen können. Daraus können Bindungsschwierigkeiten - und störungen für das Kind resultieren, das unbewusst auf die gestörten Kontaktebenen der Eltern reagiert. Das Kind zeigt als Erwachsener Symptome.

Dies lässt sich auf der Ebene des Nervensystems folgendermaßen erklären:

Das Kind reagiert auf die z.B. erstarrten Eltern, die ihre Angst weggedrückt haben oder die hochaktivierten Eltern, die ständig Wutausbrüche haben mit Stress im Nervensystem - und Immunsystem, was Krankheiten und Anspannung im Körper des Kindes nach sich ziehen kann. Als Erwachsene merken wir das dann, wenn der Körper nicht mehr so stark ist und diese Ebenen kompensieren kann. Oftmals geht dann auch nix mehr, wenn ein schlimmes Ereignis passiert. Erschöpfung, Lähmung, Erstarrung (Parasympathikus) oder Innere Unruhe, Angstattacken, Schlafstörungen, Krämpfe (Sympathikus) sind Beschwerdebilder.

Dabei entwickelt sich dann z.B. Angst, Abwehr und Erstarrung im Kontakt mit anderen Menschen ohne, das wir das wollen. Das Nervensystem ist gleichzeitig über den Sympathikus (Anreger des vegetativen Nervensystems) hochaktiviert und über den Parasympathikus (Beruhiger des vegetativen Nervensystems) gebremst. Der Körper kann sich nicht mehr regulieren. Erstarrung, Rückzug und Isolation sind häufige Folgen. Eigene Gefühle werden abgeschnitten – wir fühlen uns leblos, erstarrt und unlebendig, oftmals auch sehr einsam. Einsamkeit kann dabei auch auftreten, wenn wir unter Menschen sind. Sie beschreibt ein Gefühl, in uns selber, nicht im Kontakt mit dem Leben zu sein.

Wirkungen des Vegetativen Nervensystems:

Das vegetative Nervensystem besteht aus dem Sympathikus (Anreger) und dem Parasympathikus (Beruhiger):

Wirkungen des Sympathikus:
Nebennierenrinde wird angeregt (Adrenalin steigt), Herzschlag steigt, Blutdruck steigt, Haut ist kalt und blass, Magen und Brust wird eng, Pupillen erweitern sich, Atem ist flach, schneller und beengter, Muskeltonus steigt, Schweißbildung steigt.

Wirkungen des Parasympathikus:
Verlangsamte und tiefe Atmung, verlangsamter Herzschlag und Puls, niedriger Blutdruck, Haut ist warm und trocken, Verdauungsarbeit und Peristaltik steigen, Verengung der Pupillen, Muskeltonus ist entspannt.

Wie reagiert ihr Körper? Haben Sie vielleicht einen Wechsel zwischen allen Wirkungen? Normalerweise kann der Körper sich aus diesen Ebenen sehr gut regulieren. Wenn viel Dysregulation durch Traumata vorhanden ist, schafft er das nicht mehr und Symptome manifestieren sich.

Was macht Schuld mit den Menschen?
Schuld bewirkt, dass wir uns klein machen, der Selbstwert gering ist und wir uns wenig zutrauen. Einem Fehler wird ein riesiges Denkmal gesetzt und wir fangen an uns zu bewerten, zu verurteilen oder abzuwerten.
Als Gegenprojektion machen wir das mit anderen Menschen und moralisieren, indem wir uns über sie stellen. Ich bin besser als… - Damit stellen wir uns über andere, um den fehlenden eigenen Selbstwert nicht so sehr zu fühlen.
Bewertung und Verurteilung sind weit verbreitet und ganz oft in der Person selber an zu treffen. Dabei haben wir die „ Bewerterstimme “ in unserm Kopf und kritisieren uns permanent oder als Projektion andere, was sicher sehr großen Stress in uns auslöst. Schuldgefühle können dafür sorgen, dass Depressionen, Ängste, etc. auftreten, um das niedrige Selbstwertgefühl zu kompensieren. Wichtig ist, dass man nicht einmal etwas Schlimmes getan haben muss, um Schuld zu fühlen. Oftmals wird Schuld für das Familienfeld, d.h. für unserer Eltern und Vorfahren, getragen.

Welche Chance haben wir aus dieser Negativspirale auszusteigen?

Gefühle dürfen in Kontakt kommen, ausgesprochen und gefühlt werden. Am idealsten von der Person, die die Ereignisse erlebt hat. Wenn das nicht mehr geht, weil die Person schon verstorben ist oder die Prozessebenen nicht mehr verstehen kann, dient die Aufstellungsmethode als gute Möglichkeit um hier zu klären und einen Ausdruck der Gefühle möglich zu machen. Tiefe und verdrängte Gefühle kommen ins Fließen und werden wieder wahrgenommen. Dadurch können sich komplexe und störende Muster auflösen und wandeln. Denn auch negative Gefühle haben ja Ursachen – sonst wären sie gar nicht da. Statt Schuld darf Vergebung in unser Leben treten. Vergebung und die Arbeit in die Erlösung helfen Schuld und Ohnmacht zu verheilen. Das Selbstwertgefühl wird wahrnehmbar und größer. Wir können auftauchen und mehr das Leben leben, was uns entspricht.

Der Ausstieg aus Opfer- und Täterrollen ermöglicht es uns zum Schöpfer unseres Lebens zu werden und den Weg aus der Dunkelheit ins Licht, aus der Lieblosigkeit in die Liebe und aus der Zerstörung in den Frieden zu finden.

Dipl. Oec. troph., Heilpraktikerin Susanne Neumann
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